Announcement
Theater
Regensburg
Fotos:
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Bertolt Brecht - 48 Stücke - keiner, außer
Shakespeare, wird auf der Welt mehr gespielt als er, 2334 Gedichte, seine Lieder
sind Schlager geworden.
Für das Kind Brecht sind Jahrmärkte Orte der Faszination - das Spiel von Puppen
oder von Menschen in Schaubuden mit Bänkelsängern auf kleinsten
Bühnen, mit minimalsten Mitteln - Eindrücke, die sein Werk formen. Sein erstes
Drama 'Die Bibel' - seine erste Zeitung, die Schülerzeitschrift 'Die Ernte'.
Er berauscht sich an eigenen Texten wie im 'Baal' an dessen Lied:
'Hat ein Weib fette Hüften
tu ich sie ins grüne Gras ...'
'Trommeln in der Nacht' in München das erste Brechtstück auf der Bühne und
gleich eine neue Art von Theater - die Bühne als Kulisse, das Theater stellt
sich selbst aus, die Wirklichkeit ist hinter der Fassade.
Verleihung des Kleist-Preises.
Mit Karl Valentin spielt er in dessen Oktoberfest-Bude.
Er geht nach Berlin - führt Regie bei dem Schauspiel 'Vatermord' von seinem
Freund Arnolt Bronnen mit Heinrich George - findet alles schlecht, was die
machen und legt die Regie nieder.
Lion Feuchtwanger, der Freund fürs Leben.
Keine festen Einnahmen. Er schreibt Revuen und Sogs für die Berliner
Unterhaltungsindustrie, verfasst Texte für die Werbung. Im Sport fasziniert ihn
das Boxen, da gäbe es klare Regeln und ein fachkundiges Publikum.
Sein neuestes Stück 'Mahagonny' lässt er in einem Boxring spielen - bei 'Mann
ist Mann' lässt er Soldaten-Darsteller auf besonders hohen Stelzen auftreten,
herausragende Ungeheuer.
"Er war ein schmächtiger Mann mit dunklem Haar, der stets sehr ruhig
und begründet seine sehr bestimmten Ansichten darlegte, die ebenso klar und revolutionär waren wie seine Gedichte, seine prosa und seine Stücke.
Er war genau wie sein geniales Werk, das er der Welt hinterließ.
Das Auffallendste an ihm waren das Fehlen jeder Pose und, falls man diese so nennen kann, seine exklusive Einfachheit.
Salka Viertel, 'Das unbelehrbare Herz' - Claasen - 1970
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Wie viele Frauen?
Paula Banholzer, ein Kind: der Sohn Frank, dann Marianne Zoff - er geht im
Augsburger Theater in ihre Garderobe und bietet sich als Liebhaber an - ein
Kind: die Tochter Marianne.
Helene Weigel, die Freundin und Ehefrau fürs Leben, ein Kind: der Sohn Stefan,
später ein weiteres Kind: die Tochter Barbara.
Mit 32 Jahren hat er vier Kinder von drei Frauen außerdem als nahestehende
Weiblichkeit:
Ruth Berlau und Käthe Reichel und Margarete Steffin und wer sonst noch - und die
Mitarbeiterin und Geliebte Elisabeth Hauptmann
Sie entdeckt 1928 John Gay's 'Beggar's-Opera' und übersetzt den Text aus dem
Englischen - die Musik für die 'Dreigroschenoper' komponiert Kurt Weill - ein
Welterfolg trotz oder wegen der Sozialkritik.
'Erst kommt das Fressen -
dann kommt die Moral'
Die Weltwirtschaftskrise, erschossene Bürger in den Straßen Berlins, Brecht
liest Marx und schreibt das Stück 'Die heilige Johanna der Schlachthöfe', dann
die 'Kuhle Wampe' und nach Maxim Gorkij 'Die Mutter' - Helene Weigel spíelt.
'Die Maßnahme' folgt - der Intellektuelle Bertolt Brecht bleibt den Kommunisten
dennoch fremd und die Nazis stören die Vorstellungen.
Mit einer akuten Appendizitis liegt er Anfang 1933 im Krankenhaus, aus dem
flieht er unmittelbar nach der Operation am Tag nach dem Reichstagsbrand mit
Helene Weigel nach Prag, ohne in
seine Wohnung zurückgekehrt zu sein.
Dänemark, Schweden, dann Exil in Finnland.
Hella Wuolijoki, verschafft Brecht und der mit ihm reisenden Großfamilie eine
Wohnung in Helsinki und nimmt alle auf ihr Gut, etwa
zwei Autostunden nördlich von Helsinki. Es entstehen für die Schublade 'Das
Leben des Galilei', 'Der Aufstieg des Arturo Ui', 'Mutter Courage', 'Der gute
Mensch von Sezuan'.
Brecht arbeitet an der Vorgabe der Wuolijoki, ihrer 'Sägespäneprinzessin' - mit ihrer Billigung und Unterstützung - woraus 'Der Gutsherr Iso-Heikkilä und sein Knecht Kalle' entsteht.
2.9.1940
arbeit am PUNTILA.
h[ella] w [uolijokis] stück, halb fertig, ist eine konversationskomödie. (der nüchterne puntila
ist nur der betrunkene mit einem katzenjammer, also übellaunig, der gewöhnliche trinken.
sein schofför ist ein gentlemen, der die fotografie der tochter gesehen und sich als Schofför
hat engagieren lassen.
6.9.1940
tief im PUNTILA. das ganze beruht auf einem tonfall. es macht mir viel vergnügen.
die engländer und franzosen haben nach dem 17. jahrhundert nur noh die komödie,
die deutschen haben sie im 19. jahrhundert noch nicht. PUNTILA und sein knecht KALLE
passen gut in die galerie der BAAL, KRAGLER, ANNA BALICKE, GAVESTON, GALY GAY,
WITWE BEGBICK; JONANNA DARK; mauler, PÄCHTER CALLAS, GALILEI, COURAGE,
SHEN TE.
Berthold Brecht: Arbeitsjournal 1938 - 1942
Suhrkamp
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Obwohl Brecht die Darstellung des Kampfes der Klassen als sein Thema begriff, war er doch nicht nur Ideologe, sondern auch Theatermann, so dass der 'Puntila' als Volksstück zu jeder Zeit das Publikum erreicht.
Oben und unten gibt es überall und Leute, die von oben regieren und diejenigen, die von unten opponieren.
"[...]
>Arbeitsjournal<, 27. August 1940
[...]
mit hella wuolijoki ein volksstück für einen finnischen wettbewerb begonnen. abenteuer eines finnischen gutsbesitzers und eines schofförs. er ist nur menschlich, wenn er
betrunken ist, da er dann seine interessen vergißt.
>Arbeitsjournal<, 2. September 1940
arbeit am PUNTILA.. hella wuolijokis stück, halb fertig, ist eine konversationskomödie.
(der nüchterne puntila ist nur der betrunkene mit einem katzenjammer, also übellaunig,
der gewöhnliche trinker. sein schofför ist ein gentleman, der die fotografie der tochter gesehen und sich als schofför hat engagieren lassen. usw.) jedoch zieht sie noch einen
film zu, aus dem wertvolle elemente kommen (die fahrt nach legalem schnaps und die bergbesteigung), elemente epischer art. was ich zu tun habe, ist, den zugrunde liegenden schwank herauszuarbeiten, die psychologisierenden gespräche niederzureißen und platz für erzählungen aus dem finnischen volksleben oder für meine meinungen zu gewinnen,
den Gegensatz
>herr< und
>knecht< szenisch zu gestalten und dem thema seine poesie
und komik zurückzugeben. das thema zeigt, wie hella wuolijokis mit all ihrer gescheitheit, lebenserfahrung, vitalität und dichterischen begabung durch die konventionelle dramatische technik gehindert wird. was für eine hinreißende epikerin ist sie, auf ihrem holzstuhl sitzend und kaffee kochend! alles kommt biblisch einfach und biblisch komplex.
>Arbeitsjournal<,
6. September 1940
tief im puntila. das ganze beruht auf einem tonfall. es macht mit viel vergnügen. die engländer und franzosen haben nach dem 17. jahrhundert nur noch die komödie, die deutschen haben sie im 19. jahrhundert noch nicht. PUNTILA und sein knecht KALLE passen gut in die galerie der BAAL, KRAGLER, ANNA BALICKE, GAVESTON, GALY GAY, WITWE BEGBICK, JOHANNA DARK, MAULER, PÄCHTER CALLAS, GALILEI, COURAGE, SHEN TE.
>Arbeitsjournal< 19. September 1940
den PUNTILA fertiggemacht. die arbeit ging sehr glatt, als ich einmal ein paar
sprechmodelle hatte, jedes etwa 20 Zeilen (puntila-ton, kalle-ton, richter-ton). ich habe auf
quartformat getippt, jede seite 20 zeilen, weit eingerückt, auf dünnes fettiges papier, mit
einem durchschlag, das ist luxuriös und durch den abnormen zeilenabstand und die
unterstreichung der rollen entstand mehrarbeit, was dasd gewicht der repiken vergrößerte.
der stil des stückes verschwamm mir mit dem äußeren anblick des manuskripts, es ist ein
kleines fettes kalb von einem stück. mehr landschaft drin als in irgendeinem meiner stücke,
ausgenommen vielleicht BAAL. der ton ist nicht original, es ist haseks ton im schwejk, den
ich auch schon in der COURAGE benutzte. den szenenplan hatte ich schnell, die länge der
szenen war im vornherein notiert und wurde ziemlich eingehalten. der besuch des
gesindemarkts ist eingefügt, er fand in diesen tagen hier in der nähe statt.
>Arbeitsjournal< 19. September 1940
hella wuolijoki liest soeben den PUNTILA und scheint sehr erschrocken. er ist nicht
dramatisch, nicht lustig usw. alle personen sprechen gleich, statt verschieden wie im leben
und in hella wuolijokis stücken. solche partien wie das gespräch des richters mit dem
advokaten in der küche sind langweilig (man weiß das in finnland) und führen die
handlung nicht weiter. kalle ist kein finnischer schofför. die gutsbesitzerstochter kann
nicht vom schofför geld borgen wollen (wohl aber ihn heiraten wie in hella wuolijokis
stück), alles ist zu episch, um dramatisch zu sein. dazu wird noch viel kommen, und man
kann zwar vermittels der logik nachweisen, wie unrealistisch die naturalistische schablone
oder die ladnläufige familienblatt-psychologie ist, auch baufehler uws, aber nicht, aber
nicht, daß etwas lustig ist oder sublime prosa. dabei ist es wünschenswert, daß hella
wuolijoki nicht den mut verliert, das stück für das richterkomitee zurechzumachen, abends
sprachen wir darüber, und es gelang mir, in einigem beruhigend zu wirken. ich brachte
vor, daß allzuviel spannung mir nicht erwünscht scheint , da man mit gespannten
bauchmuskeln nicht gut lacht, daß die fülle und vitalität des puntila nicht nur in einer
großen suada, sondern auch im gestischen gestaltet werden kann, und daß es nicht
einmal füpr die finnen langweilg sein muß, beschrieben zu hören was sie wissen. so klug
und bescheiden hella wuolijoki ist und so begierig zu lernen, war es mit doch nicht
möglich, ihr etwas begreiflich zu machen, daß der gang und der habitus der szenen bei mir
gang und habitus des puntila in ziellosigkeit, lockerheit, in seinen umwegen und
verspätungen, wiederholungen und unpäßlichkeiten nachmachtm die frauen von kurgela
will sie früher kommen lassen, gleich nach der einladung, damit ds publikum sie nicht
vergessen hat. sie sieht nicht die schönheit darin, daß sie eben schon beinahe vergessen
sind, vom publikum wie von puntila selber, und dann auftauschen, so lang nach dem
morgen, an dem sie eingeladen wurden. auch darin, daß eigentlich niemand eine
besondere fortsetzung erwarten wird, wenn puntila sie an diesem schönen morgen
eingeladen hat , da ja die einladung aller ist und das kommen nur den mißbrauch darstellt.
>Arbeitsjournal< 19. September 1940
[...]
hella wuolijoki ist nun sehr zufrieden mit dem PUNTILA. beim übertragen ins finnische, sagt
sie, habe sie gesehen, daß das stück sehr reich und puntila eine nationale figur geworden
ist, [...]
Bertolt Brecht: Arbeitsjournal
Herausgegeben von Werner Hecht
Suhrkamp Verlag - 1973
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Brechts 'Puntila' wird am 5. Juni 1948 am Schauspielhaus in Zürich
aufgeführt, Leonhard Steckel war Puntila und Gustav Knuth der Matti.
Sozialkritik, Standesunterschiede, dem Unternehmer Puntila und dem von ihm abhängigen 'Mitarbeiter' Matti, mit der Schlusserkenntnis: Arm und reich passen nicht zusammen.
Brecht war eingenommen vom Chaplin-Film 'Lichter der Großstadt' von 1931, in dem sich ein Millionär eines Tramps annimmt, ihn fördert, Geld gibt - aber immer nur so lange, wie er betrunken ist. Ausgenüchtert wird der Geförderte immer wieder vor die Tür des Geldgebers gesetzt.
Die Uraufführung von Brechts 'Puntila' - wie im 'Der gute Mensch von Sezuan' zwei Seelen in einer Brust - fand am 5. Juni 1948 am Schauspielhaus in Zürich statt, Leonhard Steckel war Puntila und Gustav Knuth der Matti.
>Arbeitsjournal<, 10. Juni 1948
PUNTILA UND SEIN KNECHT MATTI im schauspielhaus inszeniert, assistiert von hirschfeld. anfangs befürchtungen wegen steckels vitalität; er stürzt los mit der wucht eines tanks und
der empfindlichkeit einer mimose. unter benutzung alter kredite und vermittels [eines] rapid entworfenen grundarrangements, das die schauspieler entfesselt, wurde die diskussionsszeit auf etwa 3 minuten in 4 wochen reduziert. das ist wichtig. da sich die gewissen neuerungen
(der ersten phase: natürlichkeit, soziale charakterisation, epische >kisten>,
klare erzählungen der geschichte usw) nur praktisch, durch ausprobieren, erzielen lassen.
[...]
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Die beiden Titelrollen wurden
in den der Uraufführung unmittelbar folgenden Jahren, prominent besetzt:
Datum |
Theater |
Regie |
Puntila |
Matti |
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9.1.49 |
Münchener Kammerspiele |
Hans Schweikart |
Adolf Gondrell |
Hans-Christian Blech |
8.11.49 |
BE |
Brecht / Erich Engel |
Leonhard Steckel |
Erwin Geschonneck |
5.1.52 |
BE |
Brecht / Egon Monk |
Curt Bois |
Erwin Geschonneck |
3.11.64 |
Münchener Kammerspiele |
August Everding |
Martin Held |
Rolf Boysen |
2.4.65 |
Schiller-Theater Berlin |
Boleslaw Barlog |
Curt Bois |
Carl Raddatz |
6.5.69 |
Schauspielhaus Hamburg |
Hans Schweikart |
Werner Hinz |
Hubert Suschka |
7.9.69 |
Akademietheater Wien |
Gerhard Klingenberg |
Attila Hörbiger |
Heinz Reincke |
25.2.75 |
BE |
Peter Kupke |
Ekkehard Schall |
Hans-Peter Reinecke |
3.12.75 |
Schauspiel Frankfurt |
Peter Palitzsch |
Peter Roggisch |
Christian Redl |
7.12.83 |
Schauspielhaus Hamburg |
Frank-Patrick Steckel |
Ulrich Wildgruber |
Christian Redl |
24.1.85 |
Schauspielhaus Bochum |
Alfred Kirchner |
Traugott Buhre |
Branko Samarovski |
31.7.85 |
Volksbühne Berlin |
Peter Fitz |
Otto Sander |
Markus Völlenklee |
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Verfilmung |
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1955 |
Österreich |
Alberto Cavalcanti |
Curt Bois
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Heinz Engelmann |
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In der Zeit, als Erwin Geschonneck 1952 in der zweiten
Brecht-Inszenierung des 'Puntila' am BE den Knecht spielt, wird sein Sohn in
Potsdam geboren. Er erhält den Vornamen Matti, der studiert in Moskau, wird aus
der SED ausgeschlossen, da er sich zur Ausbürgerung von Wolf Biermann nicht
regimekonform äußert. Seine Regiearbeiten bringen ihm 2003 den Bayerischen
Fernsehpreis und 2007 den Grimme-Preis.
Am 4.3.2010 kam sein Film 'Boxhagener Platz' in die Kinos.
Am 15. November 1966 fand in der Deutschen
Staatsoper unter den Linden in Berlin die Uraufführung der Oper 'Puntila' von
Paul Dessau nach dem Volksstück 'Herr Puntila und sein Knecht Matti' statt.
Die musikalische Leitung hatte Otmar Suitner, am 8. Januar 2010 in Berlin
verstorben, Regie: Ruth Berghaus, Bühnenbild und Kostüme Andreas Reinhardt,
Reiner Süß sang den Puntila, Kurt Rehm den Matti. Die als Füchslein in der
Felsenstein-Inszenierung von Janaceks Oper 'Das schlaue Füchslein' bekannt
gewordene Irmgard Arnold war Eva. Der am 30. Juni 2008 in Berlin im Alter
von 97 Jahren verstorbene Heldentenor Erich Witte sang Frederik, den Advokaten.
D e r spätere Mime und d e r Herodes war Horst Hiestermann in
der Rolle des Probst und eines Fotografen.
Paul Dessau hatte schon 1955 über eine Vertonung des 'Puntila' mit Brecht gesprochen, dieser bekanntermaßen ein hochmusikalischer Autor konnte sich die
Vertonung seines Werkes gut vorstellen. Im September 1956, ein Monat nach
Brechts Tod, begann Dessau mit der Bearbeitung, die dann zwei Jahre in Anspruch
nahm, im März 1959 war die Komposition abgeschlossen. Das Libretto stammte von
Peter Palitzsch und Manfred Wekwerth, beide Mitarbeiter von Brecht am BE am
Schiffbauerdamm.
"Die Rolle darf keinen Augenblick ihres natürlichen Charmes entkleidet werden; es wird eine besondere Kunst nötig sein, die Betrunkenheitsszenen poetisch und zart, mit soviel Variation wie möglich und die Nüchternheitsszenen so ungrotesk und unbrutal wie möglich zu bringen."
Nachwort zu 'Puntila' - Anmerkungen zum Volksstück
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Eine Spur zieht sich bis in die Neuzeit.
Bis zum 31.12.2006 ist Erkki Tuomioja, der Enkel der Hella Wuolijoki, finnischer Außenminister, Ratspräsident der EU und auch Schriftsteller.
2006 findet er im Nachlass der Wuolijoki Textfragmente eines Stückes 'Die Judith von Shimoda', das 2008 vom Suhrkampverlag als Gemeinschaftswerk Brecht / Wuolijoki dem Theater in der Josefstadt in Wien zur Aufführung gegeben wird.
http://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&task=view&id=1699&Itemid=1
Die Judith von Shimoda
Ein Schauspiel von Yamamoto Yuzo.
Westliche Bearbeitung mit Vorspielen von Hella Wuolijoki und Bertolt Brecht.
Inszenierung: Heribert Sasse,
Bühnenbild und Kostüme: Amra Bergman,
Musik: Michael F. Kienzl.
Mit: Mavie Hörbiger, Peter Moucka, Friedrich Schwardtmann, Elfriede Schüsseleder, Mario Hellinger, Heribert Sasse, Peter Kern, Paul Matic, Alexander Strömer, Thomas Groß, Heinz Trixner, Franziska Singer, Silvia Meisterle, Wolfgang Klivana, Sarah Wimmer, Eva Mayer, Erich Altenkopf, Emanuel Kastner, Kevin Leppek, Martin Oberhauser und Hans Wolfgang Pemme.
www.josefstadt.org
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Seine Produktion des
'Puntila' stellt Oberspielleiter Bleiziffer im
Regensburger Bewegtbildsender vor:
Er erhofft sich, den heutigen Zuschauer sensibilisieren
zu können, wie Menschen mit Menschen umgehen, wobei
gegenübergestellt seien:
die Obrigkeit und bedürftige Menschen.
Da gebe es Situationen, in denen die Obrigkeit mit den
Menschen die unten sind, nach Laune und willkürlich
verfahre.
Die Definition des Begriffes 'unten' bleibt aus, dass es
sich bei unten auch um Mitarbeiter einer öffentlichen
Anstalt wie dem Theater Regensburg handeln kann,
steht außer Frage.
Obrigkeit sind: Theaterdirektor, Generalmusikdirektor
oder eben auch der Oberspielleiter Schauspiel.
Aber so Sprüche wie:
'Wenn Sie das für die Gage nicht machen wollen
- draußen stehen zehn andere, die sich darum reißen' -
kennt man ja zur Genüge.
Selbstverständlich wird keinem der drei hier Genannten
derartige Willkür unterstellt.
Der Hof des
Thon-Dittmer-Palais' in Regensburg hat seine Tücken,
will man hier Theater spielen.
Auch in diesem Jahr ist die Bühne wieder über Eck
angeordnet, wie schon vor zwei Jahren, damals mit dem
Karussell für 'Was ihr Wollt' oder 2009 dem großen Bett
beim 'Eingebildet Kranken'.
Durch die Aufbauten ergibt sich immer ein beengender
Eindruck, zumal wenn die Rückwände überhoch aufgestellt
sind, um abzudecken.
Braucht's das für Brecht?
Rauscht dann auch noch ein über die ganze Bühnenbreite
gehender weißer, wallender Vorhang zur Trennung der
Szenen zu und auf - betont dies zusätzlich den
Eindruck der Wanderbühne. Verzichtete man darauf,
spielte Stücke offen ohne Aufbauten, die in das Ambiente
passen, erübrigte sich die Warnung:
'Leute nehmt die Wäsche rein, Bleiziffer's Komödianten
kommen.'
Aber die Stadt erlaubt sich ja aus Steuergeldern gut
bezahlte Fachkräfte, die meinen, es besser als das
Publikum zu wissen.
Bleiziffer behilft
sich, Auftritte nicht allein von der Hinterbühne oder von der
Seite einzurichten, sondern durch das Publikum
stattfinden zu lassen. Wie sollten auch die im
Programmheft ausgewiesenen Darsteller sonst auf das
Nudelbrett von Bühne kommen.
Dass der erfahrene Oberspielleiter in der Anzahl der von
Brecht vorgegebenen Rollen nicht reduziert, verwundert
schon, denn wer das Stück nicht kennt, wird durch
Episoden-Figuren wie 'Der Viehdoktor', 'Der Kümmerliche'
- beide der leicht zum Straucheln in seinen Gängen
neigende Roman Blumenschein - er stürzt gerne und gut
über die eigenen Beine - (in 2010/2012 nach
Spielzeitheft nicht mehr in RBG engagiert) oder auch
'Der Rothaarige', irritiert und der Gang der Handlung
wird - trotz aller per se vorgenommener großer Striche -
unnötig in die Länge gezogen. Aber offensichtlich sollte
mal - so zum Ende der Spielzeit - das ganze Ensemble auf
die Bühne.
Wird
dieser Brecht gespielt, soll es ein Fest für Darsteller
sein. Ob es nun die 'Drei Damen' sind, die Puntila zusetzen oder der Attaché, ganz abgesehen von den beiden Hauptrollen.
Brechts Großgrundbesitzer Puntila
mit 90 Kühen ist ganz eindeutig im Wechsel als Betrunkener und als Nüchterner angelegt. Hierin liegt der Reiz der Rolle und die Chance für den Darsteller.
Es stellt sich also die Frage, warum sich
Oberspielleiter Bleiziffer über diese Vorgabe hinwegsetzt und seinem Puntila-Darsteller den Wechsel nimmt und ihn durchgängig
laut artikulierend und, wenn er keinen Text hat, ebenso
laut lachend - bis auf die Szene 8 auf dem Hatelmaberg -
spielen lässt.
Vielleicht ist ihm auch der Darsteller des Puntila
entglitten, jedenfalls ist für den gemeinen Zuschauer
nicht erkennbar, hat er jetzt was getrunken oder nicht.
Als sichtbare Zeichen die Flasche am Mund sagt nichts.
Nach Brechts
handschriftlichen Notizen ist Puntila in den Szenen 1 -
3 betrunken, in 4 und 5 nüchtern, in 6 durchgängig
betrunken, in 7 und in 8 nüchtern und betrunken. Für die
Szene 9 macht Brecht keine Vorgaben.
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Nr. 2 - Regensburg johlt,
wenn der Attaché im Negligé auftritt, an seinem Zipferl
herumzipferlt und bei der Annäherung eines
Motorgeräusches lieber das Weite sucht, so dass er nicht
mit ansehen muss, wie aus dem Dach des mittleren
Bühnenaufbaus ein Auto in Laubsägearbeit herausschießt,
einen Scheinwerfer verliert und steckenbleibt.
Sehr funny, wenn dann noch eine zunächst unsichtbare
Truppe grölt: 'Schnaps, das war sein letztes Wort' -
ansonsten sind die Regensburger nicht leicht zu 'amusen', denn
es fehlt ihnen der Zugang zum Stück, was auch an der
Kostümierung liegt.
Der in 1 kurz liegend mit 'Ruhe im
Gerichtssaal' in Erscheinung tretenden Richter, kann in
2 nur schwer in Mattis Huckepack als gleiche Person
erkannt werden - so dass sich den Leuten die Frage
stellt: wer ist denn das nun wieder?
Nr. 3 - die drei Frühaufsteherinnen richten sich ihre
Szenerie her, pappen Schilder an die Wände mit
Aufschriften wie NIX, Posta, Apotheke oder Emma-Laden.
Puntila scheppert herein und lacht wieder einmal -
möglicherweise soll dies den betrunkenen Zustand
dokumentieren.
Schmuggleremma bietet ihren Selbstgebrannten an, aber
Puntila nimmt nur den gesetzlichen, also kein Geschäft
für Frau Fischer zu machen.
Der Viehdoktor lässt in einem Eimer das Rezept für den
legalen Erwerb von Alkohol vom rechten Bühnenaufbau
herunter - mit dem nun Puntila lauthals lachend den
Schnaps bei Frau Heise als Apothekerfräulein kaufen kann
- mit ihr verlobt er sich und mit der nun auftretenden
Kuhmagd Nikola Norgauer auch und noch mit Frau König,
der Telefonistin.
Den Gesindemarkt von Lammi hat sich Herr Bleiziffer
erspart, in dem er ihn strich und so macht er gleich mit
dem Skandal auf Puntila weiter, so dass der Auftritt
Surkkala mit seinen Kindern in der Luft hängt.
Wie auch die folgende Saunaszene mit dem kreischen
Lachen der Beteiligten unverständlich bleibt.
Frau Dörnte eilt mit den aus 'Maria-Magdalena' oder aus
'3-Schwestern' oder 'Don Karlos' bekannten großen
Schritten als Eva Puntila zum Gespräch mit Matti, dem
Bedenkenträger - kam sie als Gerda auch so?
Kompromittierungsszene mit Attaché, Eva, Puntila, Matti,
sie
endet mit Spielkarten - wie sollen wir uns denn in der
Sauna die Zeit totschlagen - vor dessen interessanten Körperpartien.
Applaus - wen wunderts, dabei haben die Leut'
garnichts zu sehen bekommen.
Nr. 5
Text Matti: 'Schad, dass er so schlecht bezahlt wird' und
Auftritt Richter und Advokat: gestrichen.
Eva mit dem zögerlichen Matti.
Nr. 6
Dialog Puntila / Eva jeweils aus den Portalen links und
rechts - Matti stellt Stühle für die Bräute bereit.
Diese streben kichernd, aber einträchtig durch das
Publikum der Bühne zu, stieben zur Seite als Matti durch
den weißen Vorhang auftritt (eine echte Brechtgardine
ist es nicht).
Schon ist es mit der Harmonie vorbei und die Damen
werden gegenseitig handgreiflich.
Nr.7
Finnische Erzählungen - gemäß Suhrkamp Seite 84 -
gestrichen -
stattdessen:
Nr. 7 - Verlobung Eva / Matti
Probst - Advokat - Richter
'Wimmer, heul, kreisch' - aus dem Bühnenhintergrund -
Auftritt Pröbstin.
Warum bekommt die Dubiel keine gescheite Rolle - was ist
mit Hauptmanns 'Ratten', natürlich nicht die Piperkarcka
- aber Mutter Wolffen - der Prenzl Berg käme zu voller
Entfaltung - den Regensburgern zur Freud' mit
schallendem Gelächter wie hier gegenüber Herrn Heuberger
mit:
'Wenn du etwas halten willst, dann halt deinen Mund'!
Man stelle sich das vor auf berlinerisch. Der Saal
tobte, das wäre dann so wie die Eliza von der Froboess
in der Lady-Inszenierung am Gärtnerplatz.
Wenn man schon keine
Spieloper in der Weil-Zeit macht, warum nicht im
Schauspiel mit der Dubiel dem Affen Zucker geben.
Der Attaché wagt ein Tänzchen und lässt sich aus über
'ausgerechnet Tomaten' und einen Witz, dass ein Jude
seinen Mantel vergisst.
Verhinderte Verlobung der Puntila-Tochter mit einer
Heuschrecke und dazu das ständige Gelache des Puntila -
entsetzlich.
Matti ist zu bescheiden, als dass er sich drüber
auslässt, ob er gut fickt wie er selber auch meint, eine
Eva Puntila könne nicht ihn, einen Chauffeur, heiraten.
Die Proben für Eva auf dem Festtisch, der Hering, das
Loch im Strumpf, Stiefel ausziehen - alles mit ihren
Fehlern, die Matti nicht toleriert: 'da fehlt eben
alles.'
Nr. 8
Surkkala mit seinen Kindern
Puntila attackiert Matti
Vernichtung der Schnapsflaschen
vorher noch Probetrinken, ob ihn der Kaufmann nicht
beschissen hat.
'Das warn schöne Zeiten - he, he he, he, he'!
Das meckernde Lachen Puntilas / Schieffers geht weiter -
es begleitet den Aufbau des Hatelmaberges durch Matti,
wütend stapelt der Tische und Stühle übereinander,
Puntila steigt auf den Berg und erfreut sich der
Fernsicht, dem Himmel über Tavastland -
'... und die Himmel der lieblichen Roine,
sie küssen den milchweißen Sand.'
Dann schläft Puntila ein.
Ob er je wieder erwacht - am DT in Berlin drückt Matti
bei Thalheimer dem Puntila die Augen zu.
Nr. 9
In Bleiziffers Inszenierung am Oberpf. Metropol-Theater
Regensburg nimmt Matti das Fresspaket von Laina und
geht, nach der Szene mit Surkkala kann er Puntila nicht
mehr ertragen.
Arm und
reich passen eben nicht zusammen.
Fazit:
Schieffer ist so dominant, dass Schedlbauer nur seine
eigene Resignation aus der Bescheidenheit heraus
darstellen kann, Puntila durch Pfiffigkeit zu
übertreffen, kann er nicht schaffen.
Eva ist die Dörnte wie man sie kennt - auch privatim mit
Livenson walkend 'auf der Gass'.
Die Dubiel knallt alle an die Wand - in dem kurzen
Pröbstin-Auftritt.
Hier nochmal zur Erinnerung, ihre Tödin in Tabori's
'Mein Kampf'.
Alle anderen sind schon von den Rollen her leider nur
Sättigungsbeilage.
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